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Ein schwarzer quadratischer Roboter GoPalfährt durch eine Lagerhalle

Autonome Roboter

Während in den Städten das autonome Fahrzeug noch in weiter Ferne scheint, schickt es sich aktuell an, Lager und Produktionshallen zu erobern. Der autonome Roboter kann Rohstoffe und Güter gezielter, sicherer und präziser an den richtigen Ort bringen. Auch Freudenberg Sealing Technologies experimentiert damit.

Manchen Wesen sieht man Intelligenz nicht sofort an. Der viereckige schwarze flache Kasten zum Beispiel, der im Rohmischwerk von Freudenberg Sealing Technologies in Weinheim herumfährt, wirkt einförmig und damit auch einfältig – aber das Gegenteil ist der Fall. Der „GoPal“ kann eigenständig Entscheidungen treffen. „Wenn Sie sich jetzt dort in den Weg stellen, dann erkennt er das und wartet“, sagt Christian Pfeifer, Leiter des Competence Centers Mixing in Weinheim. „Und wenn er dann merkt, dass Sie nicht weggehen, berechnet er die Route neu und sucht sich einen anderen Weg.“ Einen Weg zu der Ladestation, auf der mehrere Säcke mit Rohmaterialien stehen. Unter denen platziert sich das Gerät, fährt zwei Schienen nach oben und hebt die Palette auf. Bis zu 1,5 Tonnen kann er tragen. „Das war eines der Auswahlkriterien für uns“, sagt Pfeifer. „Wir haben hier sehr schwere Lasten zu transportieren.“

Seit jeher gilt Logistik als wenig wertschöpfend: Wenn Ware erst von A nach B gekarrt werden muss, verdient man damit kein Geld. Auf die ersten Sackkarren folgten mechanische Hilfen wie Gabelstapler oder Förderbänder. Förderbänder sind jedoch statisch und unflexibel, während Stapler einen Fahrer brauchen – und in vielen Lagerhallen und Fabriken mit ihren Gabeln ein besonders erhöhtes Risiko für Unfälle und Verletzungen darstellen. „Mittlerweile haben wir den Warentransport mit Staplern in der Produktion ganz abgeschafft“, sagt Pfeifer.

"Die Mitarbeiter müssen weniger laufen": Das erledigen die Maschinen: zwei AMRs im Werk von North Shields.

Hindernis: Mensch oder Kiste?

Die Lösung dafür trägt die Abkürzung „AMR“, Autonome Mobile Roboter. Es ist die Weiterentwicklung der „FTS“, der fahrerlosen Transportsysteme. FTS sind seit Anfang der 2000er in Lagerhallen anzutreffen, aber sie brauchen für ihre Strecke von Regal zu Regal oder vom Regal zur Produktionshalle Hilfe: in Form von Streifen, die auf den Boden geklebt sind, Reflektoren an den Wänden oder ähnliche Installationen. FTS fahren vorgegebene Strecken ab, idealerweise möglichst abgeschottet von Menschen, denn sie können schlecht mit unvorhergesehenen Störungen umgehen. Der englische Begriff ist hier präziser: AGV – automated guided vehicle. FTS sind automatisiert, aber nicht selbstständig. Sie werden geführt.

Roboter wie der „GoPal“ des dänischen Herstellers Robotize finden sich tatsächlich selbstständig im Raum zurecht. Sie setzen bereits um, wovon Automobilindustrie und Verkehrspolitik noch träumen: autonomes Fahren. Aber sie profitieren natürlich von denselben technologischen Fortschritten. Verbesserte Sensoren, mit denen sie Hindernisse erfassen. Künstliche Intelligenz, die lernt, solche Hindernisse auch sinnvoll und konstruktiv zu interpretieren: Ist der Schemen vor mir eine Palette, die dort stehen bleibt – oder ist es ein Mensch, der sich vermutlich gleich wegbewegt? Für einen Menschen ist das eine sehr simple Überlegung, für einen Roboter eine alles andere als triviale Aufgabe – schließlich geht es auch im Warenlager um den Faktor Zeit.

Ein Schwarm aus autonomen Robotern

Ein anderer AMR-Vertreter ist der Omron des gleichnamigen japanischen Herstellers. Einige dieser Modelle verrichten im englischen Produktionswerk von Freudenberg Sealing Technologies in North Shields ihre Arbeit. Hier geht es ebenfalls darum, einzelne Komponenten einzusammeln und an die richtigen Stationen zu liefern oder auch Maschinen zu be- und entladen. Die Formgebungsmaschine kann sogar selbst einen Ruf an die Roboter absetzen, wenn sie weitere Komponenten benötigt. „Vor der Einführung mussten das die Mitarbeitenden tun, pro Maschine und Schicht waren das zehn Minuten“, sagt Martin Sims, Process Development Engineer in North Shields. Das entsprach mehr als anderthalb Stunden nicht wertschöpfender Tätigkeit pro Person. „Dank der AMR müssen die Mitarbeitenden weniger laufen“, sagt Sims.

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Wir haben hier sehr schwere Lasten zu transportieren.

Christian Pfeifer, Leiter des Competence Centers Mixing in Weinheim

Im Mischwerk in Weinheim sind bislang zwei AMRs unterwegs – die Zahl soll sich aber noch erhöhen. Bis Ende 2025 möchte Pfeifer gerne ein halbes Dutzend Roboter im Einsatz haben. „Die verständigen sich dann auch untereinander“, unterstreicht er: „Wenn wir eine Ladung anfordern, stimmen sich die Fahrzeuge ab, wer gerade in der Nähe ist.“ AMRs eröffnen komplett neue Dimensionen in Werkhalle und Lagerlogistik: ein Schwarm an autonomen, kommunizierenden Fahrzeugen, die computergestützt eine bestmögliche Verteilung und Lieferung von Gütern oder Einzelteilen sicherstellen. Geräte, die so aussehen, als würden sie wie Ameisen durch die Gegend wuseln. Und die mindestens genauso koordiniert handeln wie jene Insekten.

Innovationsschub und wachsender Markt

Fachkräfte der Logistik und der Fertigung weltweit schwärmen bereits jetzt von einer Effizienz, wie man sie sich vor 25 Jahren nicht hätte vorstellen können. Für den boomenden E-Commerce ist es exakt der passende Technologiesprung zur richtigen Zeit. Onlinehandel-Gigant Amazon investierte erstmals im Jahr 2012 massiv in AMR-Technologie und verhalf der gesamten Branche zu einem Innovationsschub. Zehn Jahre später stellte Amazon dann seinen ersten vollständig autonomen mobilen Roboter vor, der eingesetzt wird, um große Wagen in Lagerhäusern zu bewegen. Insgesamt zeigt sich ein wachsender Trend für die Nutzung von AMRs weltweit und das nicht nur in der Logistik und in der Produktion, sondern auch im Gesundheitswesen und im Einzelhandel.

Christian Pfeifer in Weinheim sind die Grenzen der aktuellen Generation von AMRs sehr wohl bewusst: Der fahrende schwarze Kasten ist zum Beispiel darauf angewiesen, dass Lieferungen für ihn bereitstehen. Er kann nicht in die Höhe greifen. Ein Problem ist das für Pfeifer nicht: „Manchmal wird Innovation dadurch gebremst, dass jeder direkt die eierlegende Wollmilchsau erwartet“, sagt er. Aber je komplexer man einsteige, desto höher sei auch die Gefahr, die Übersicht zu verlieren: „Wir gehen das Schritt für Schritt an. Unsere Denkweise ist, dass wir austesten, was funktioniert“, so Pfeifer. Nachfolgermodelle, die genauso heben können wie ein Stapler, sind zudem bereits im Test.

Einen unerwarteten Nebeneffekt hat der „GoPal“ auch bereits gehabt, dessen Name eine Wortspielkreation aus „Kumpan“ (englisch: Pal) und „Palette“ ist: „Die Mitarbeitenden im Werk sind ordentlicher geworden“, erzählt Pfeifer. Früher sei es durchaus mal vorgekommen, dass Paletten im Weg standen – im Bewusstsein, dass der Staplerfahrer dann notfalls kurz aussteigt und sie wegräumt. „Jetzt halten alle die Wege für den Roboter frei.“


Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.

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