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Nicht automatisch autonom
Autonome Fahrzeuge scheinen eine ganz besondere Roboter-Spezies darzustellen. Doch der Unterschied ist weder technisch noch kaufmännisch zu begründen, er liegt vielmehr in unserer Sicht auf das Autofahren.
In jenem Moment, da sich Herbie nachts von der Brücke stürzen will, weil er gegen einen roten Lamborghini eingetauscht werden soll, leidet auch der härteste Autofeind mit. So absurd diese Szene ist: Der mehr als 50 Jahre alte Disney-Film „Ein toller Käfer“ beantwortet visionär die grundlegende Frage, wie wir mit einem Roboterauto umgehen werden. Wir werden gar nicht anders können, als mit ihm zu sprechen und zu versuchen, uns in das Artefakt aus Stahl und Computerplatinen hineinzudenken. Und wir werden Gefühle entwickeln, mehr als jenen Robotern gegenüber jedenfalls, die in den Fabriken neben uns arbeiten oder uns den Rasen mähen.
Warum ist das so? Aus technischer Sicht unterscheidet ein ohne jeden menschlichen Eingriff fahrendes Fahrzeug nichts Grundlegendes von einem mobilen Industrieroboter. Er ist zwar mit umfangreicherer Sensorik und leistungsfähigeren Rechnern ausgestattet, aber das regelnde Grundprinzip ist das gleiche: erkennen, berechnen, handeln. Der eigentliche Unterschied liegt aber gar nicht darin, was das Roboterfahrzeug tut, sondern in unserer Sicht auf die Tätigkeit. 24 Stunden am Tag die immer gleiche Schweißnaht aufzubringen oder jeden Morgen für eine Stunde den Rasen zu mähen sind aus unserer Sicht monotone Tätigkeiten, die wenig Intelligenz erfordern und keine starken Emotionen hervorrufen. Autofahren ist hingegen eine kognitiv anspruchsvolle Tätigkeit, zumindest so lange wir nicht stundenlang geradeaus mit gezügelter Geschwindigkeit durch den Westen der USA fahren. Wenn etwas Technisches uns ersetzen kann, dann soll es sich wenigstens um eine ganz besondere Maschine handeln. Alles andere würde unser Selbstbild bedrohen.
Gestützt wird diese These von Umfragen zur Akzeptanz des autonomen Fahrens. Sie ist in jenen Märkten besonders hoch, in denen autofahrerisches Können eher gering geschätzt wird. So ergab eine Mobilitätsstudie des Zulieferers Continental, dass in China 89 Prozent aller Autofahrenden die Entwicklung autonomer Fahrzeuge für sinnvoll halten. Wer wirklich etwas auf sich hält, lässt sich im Reich der Mitte ohnehin auch schon heute von einem Chauffeur fahren. Im Autoland Deutschland liegt die Zustimmung hingegen nur bei 52 Prozent.
Enormer Fortschritt, keine Serie
Trotzdem stehen deutsche Autohersteller mittlerweile technologisch wieder ganz vorn, wenn es um die Entwicklung autonomer Fahrzeuge geht. Aufgeschreckt durch die 2012 veröffentlichten Bilder eines von Google programmierten Toyota Prius starteten die Premiumhersteller milliardenschwere Entwicklungsprogramme. Der technische Fortschritt war in den letzten zehn Jahren enorm, selbst komplexe Verkehrssituationen in Innenstädten sind überwiegend zu meistern. Und sogar die Gesetzgebung bewegte sich rasch, als erstes Land der Welt verabschiedete Deutschland verbindliche Regeln für den Einsatz voll automatisierter Fahrzeuge ohne Überwachungsfahrer im öffentlichen Straßenverkehr.
Doch warum gibt es dann immer noch kein einziges selbstfahrendes Auto zu kaufen? Der Grund ist in einer Fehlkalkulation zu suchen. Die ganze Technik, die ein Roboterauto mitbringen muss, macht es Zehntausende Euro teurer. Für einen privaten Pkw ist schlicht das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu gering. „Wir sehen im Pkw auf absehbare Zeit eher Assistenzsysteme mit erweiterten Funktionen“, sagt etwa Thorsten Gollewski, für die autonomen Mobilitätssysteme beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen verantwortlich. „Ein höheres Level an Automatisierung ist derzeit vor allem für Lkw und People Mover interessant.“ Hintergrund ist das Geschäftsmodell: Im Güterverkehr machen Lohn- und Nebenkosten in entwickelten Ländern rund ein Drittel der gesamten Lebenszykluskosten aus, die Abschreibung auf die Fahrzeugkosten schlägt hingegen nur mit rund neun Prozent zu Buche. Letztendlich entscheidet rationales Kalkül über den Einsatz von autonomen Fahrzeugen – und das eint den Roboter-Lkw mit seinem Kollegen in der Fabrikhalle.
Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.
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