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Professor Charles O’Reilly
23.05.2017

„Die Zukunft ist keine gerade Linie“

Dr. Jan Kuiken von Freudenberg Sealing Technologies (FST) und Management-Professor Charles O’Reilly sprachen im ersten Teil des Interviews darüber was Innovationen mit Unternehmen machen. Im zweiten Teil reden sie über die Balance von Alt und Neu, radikale Ideen und den Optimismus von Innovationsexperten.

Herr, Kuiken, wir sprachen im ersten Teil des Interviews über Innovationen, die ihrer Zeit voraus waren. Gab es in der Vergangenheit eine innovative Idee bei FST, die lange in der Schublade liegen musste, weil der Markt noch nicht reif dafür war?

Kuiken: Levitex zum Beispiel. Das Grundkonzept haben wir schon vor zehn Jahren entwickelt, damals sah die Industrie aber die Notwendigkeit noch nicht. CO2-Reduktion war zwar schon ein Thema, aber die Hersteller nutzten dazu ihre jeweiligen Standardlösungen. Dann kam Dieselskandal, und jetzt werden die Karten neu gemischt. Die spannende Frage ist übrigens, welches Thema sich jetzt schneller und dynamischer entwickelt: Die Schadstoffreduktion von Verbrennungsmotoren – oder direkt die E-Mobilität?

Dr. Jan Kuiken
Dr. Jan Kuiken, Leiter Technology & Innovation von FST

Beides sind Themen, an denen FST arbeitet. Ist das nicht schizophren?

Kuiken: Nein, im Gegenteil: Ich muss immer in Szenarien denken! Die Zukunft ist keine gerade Linie, es gibt immer verschiedene Möglichkeiten.

O’Reilly: Sehr treffendes Bild, sehe ich genauso.

Kuiken: Wir müssen dafür sorgen, dass wir solche Lösungen in der Schublade haben. Eine entscheidende Aufgabe einer Forschungs- und Innovationsabteilung besteht dann darin, zu entscheiden, welche Felder bearbeitet werden. Schließlich sind unsere Ressourcen naturgemäß begrenzt. Dazu haben wir bei FST ja das Innovation Management System entwickelt, das die Ideen in „Brot und Butter“, „Perlen“ und „Weiße Elefanten“ einteilt.

O’Reilly: Das habe ich so vorher noch nicht gehört, aber das gefällt mir richtig gut. Wir benutzen ein paar andere Modelle und Raster. Zum Beispiel „Innovationsströme“. Daran kann man in einer Matrix kategorisieren, ob eine Firma sich mit Innovationen in neuen oder alten Märkten bewegt, oder mit neuen oder bekannten Techniken operiert. Neue Techniken in neuen Märkten, das ist die am meisten umwälzende und risikoreichste Variante.

Herr Kuiken, Sie benutzten im ersten Teil unseres Interviews das Bild von Schubladen, die sie beständig mit Ideen füllen. Wie viele Schubladen hat FST?

Kuiken: Viele. Mit Verlaub: Deswegen sind wir ja auch der Marktführer, das Potential ist gigantisch. Unsere Mentalität muss sein: „Geht nicht gibt’s nicht.“ Übrigens sind Menschen häufig dann besonders innovativ, wenn die Ressourcen knapp sind. Deswegen ist das keine Floskel, wenn ich sage: Eine Krise kann man auch nutzen, muss man nutzen! Denken Sie an 2008/09, als der Automobilindustrie plötzlich 50 Prozent des Umsatzes weggebrochen sind. Und trotzdem sind einige Firmen daraus gestärkt hervorgegangen, wir übrigens auch. Krisen und disruptive Änderungen sind zugleich eine Chance, man muss nur darauf vorbereitet sein! Das ist unser Ansatz und dazu sind wir auch in der Lage.

O’Reilly: Ich würde da allerdings eine Einschränkung machen: Wenn die Krise da ist, haben manche Unternehmen gar nicht mehr die Ressourcen, um noch viele verschiedene Wetten auf die Zukunft abzuschließen. Und das ist häufig wichtig, denn nicht jede Idee funktioniert. Besser ist es, damit zu beginnen, wenn es dem Unternehmen noch gut geht.

Professor Charles O’Reilly
Management-Professor Charles O’Reilly

Ihre zentrale These ist, dass Unternehmen die Balance halten müssen zwischen den erfolgreichen Produkten und dem Neuen. Der Begriff, den Sie prägen, ist „ambidextrous“, beidhändig.

O’Reilly: Kerngeschäft und Experimente funktionieren nach völlig verschiedenen Spielregeln. Werte und Gepflogenheiten, die ein Unternehmen im Kerngeschäft großgemacht haben, sind beim Neugeschäft hinderlich. Wer sich bei unseren Studien als erfolgreich innovativ erwiesen hat, hatte fast immer eine räumliche Trennung zwischen Kerngeschäft und innovativen Projekten, aber gleichzeitig Durchlässigkeit, um von Stärken zu profitieren, die junge Herausforderer nicht haben, wie Vertrieb und angesammeltes Wissen. Dazu eine übergreifende Vision und Werte. Das ist alles andere als einfach, und ich bin selbst immer wieder fasziniert, wie Unternehmen diesen Spagat hinbekommen.

Kuiken: Es tut einem Unternehmen gut, mal komplett anders zu denken. Die meisten unserer Innovationen werden immer eher inkrementell sein. Bei den wirklich radikalen Ideen wird es interessant. Da müssen wir uns fragen: Warum ist das radikal, was wollen wir damit? Wie mit der Idee, alle Bestandteile für eine Dichtung aus wenigen Kubikmeter Luft extrahieren zu können.

Das klingt für mich sehr radikal.

Kuiken: Nicht wahr? Als mein Chef mir erstmals davon erzählt hat, habe ich ihn nur ungläubig angesehen. Aber natürlich sind wir da haargenau in der Diskussion des ökologischen Fußabdrucks. Wir wollen mit unseren Produkten dazu beitragen, dass die Produkte nachhaltig sind, dass die Rohstoffe erneut verwendet werden können. Material-Innovation ist für uns sehr wichtig.

O’Reilly: Das funktioniert tatsächlich?

Kuiken: Vor einem Jahr hörte es sich noch recht verrückt an. Dann haben wir angefangen, zu forschen, und heute hört es sich schon weniger radikal an.

Aber kein Unternehmen kann sich allein auf radikale Ideen stützen.

O’Reilly: Es gibt Unternehmen, die sehr erfolgreich damit waren, innovative Ideen zu verkaufen, wenn sie sie selbst nicht umsetzen konnten. Manchmal hat man gar nicht die Vertriebsstruktur oder die Möglichkeiten, um Innovationen selbst zu vermarkten.

Kuiken: Lassen Sie mich kurz im Bild bleiben: Wenn ich in einem chemischen Prozess nur Radikale habe, dann habe ich Chaos. Aber Radikale bewegen sich immer noch im System! Wenn ich das System, also das eigene Unternehmen, komplett vergesse, dann laufe ich in die falsche Richtung. Am Ende muss das Ziel immer lauten, dass das Unternehmen vorangebracht wird. Nehmen Sie zum Beispiel die Molekulare Modellierung: Komplexe Moleküle lassen sich heute noch nicht umfassend berechnen, also können sie für bestimmte Prozesse nicht sinnvoll simuliert werden. Das wird aber kommen. Für uns hätte das enorme Vorteile bei der Materialentwicklung. Aktuell ist das noch zu weit weg, aber wir beobachten genau, was da passiert, an welchen Rechenmodellen geforscht wird. Wenn wir diese Modelle sinnvoll anwenden, könnten wir noch effizienter Stoffe verändern, um ganz gezielte Effekte hervorzurufen. Zum Beispiel reduzierte Reibung oder Supraschmierfähigkeit. Reduktion wird auf jeden Fall ein Trend werden! Das ist ein klassisches Beispiel von einer Innovation, die sehr weit in die Zukunft vorausschaut und gleichzeitig die Gegenwart im Blick hat.

Professor Charles O’Reilly, Dr. Jan Kuiken
Professor Charles O’Reilly und Dr. Jan Kuiken

Wie balanciert man das aus?

Kuiken: Mit der Unternehmenskultur. Es gibt genug Unternehmen, in denen Innovation gar nicht geschätzt wird. Umgekehrt muss ich mich als Ingenieur, der 35 Jahre an einem Thema gearbeitet hat, aber keinen Schritt weitergekommen ist, fragen: Wozu? Die Verantwortung für diese Balance liegt bei jedem von uns. Früher gab es durchaus die Fragen: Was macht die Forschungsabteilung da eigentlich? Die in ihrem Elfenbeinturm, die produzieren ja nichts! Das hat sich bei uns heute geändert, weil wir involviert sind.

Sie sind ein sehr optimistischer Mensch, oder?

Kuiken: Wenn man als Experte im Bereich Innovation nicht optimistisch ist, dann hat man ein Problem. Wer in Lösungen denken will, muss eine positive Haltung haben, und das ist kein Widerspruch dazu, auch realistisch zu sein, und sich zu hinterfragen. Aber: Wieso sollte man halbherzig agieren? Schlussendlich braucht es nur immer die Verbindung zwischen Vorausentwicklung, Geschäftsbereichen und Verkauf, um herauszufinden: Was brauchen die Kunden?

O’Reilly: Ich denke, einer der Gründe, warum der Ansatz von „Design Thinking“ so erfolgreich wurde, ist, weil er genau das aufgreift: Am Anfang steht der Kunde, es geht darum die unausgesprochenen Wünsche des Kunden zu erfüllen. Es gibt viele Beispiele von Firmen, die darüber gestolpert sind, dass sie nicht verstanden haben, was ihre Kunden wirklich wollen.

Wenn man sich die Geschichte erfolgreicher Unternehmen anschaut, stellt man fest, dass viele gar nicht mehr das machen, womit sie ursprünglich gestartet sind.

O’Reilly: Der britische Luftfahrt- und Automobil-Zulieferer GKN begann vor mehr als 250 Jahren als Kohleförderer. Ball Corp ist ein 136 Jahre bestehender, weltweiter Dosenproduzent, hat aber mittlerweile ein Standbein in Raumfahrt-Technologie. Die Liste ist endlos. Ich gestehe, ich kannte Freudenberg vorher nicht, aber die Geschichte von der Gerberei, die aus Lederabfällen Dichtungsringe herstellt und dann den Sprung zu neuen Materialien schafft, das ist ein wunderbares Beispiel.

Kann es also sein, dass FST in 50 Jahren keine Dichtungen mehr herstellt?

Kuiken: Ja, möglich, dass wir dann Systeme machen, oder Dienstleistungen. Warum nicht? Aber wenn wir so weitermachen, wie bisher, dann sind wir auf jeden Fall noch da. Diese Überzeugung ist ganz tief verankert in dieser Organisation. Weil wir wissen aus unserer Geschichte, dass wir immer dazu in der Lage waren. Wenn man mal 150 Jahre zurückschaut, waren da so viele Krisen und Umwälzungen: Ölkrise, die Weltkriege, die technologische Entwicklung.

O’Reilly: Das ist sehr weise. Und sehr zutreffend. IBM hatte wegweisende Entwicklungen verpasst aber: Das Unternehmen hat die Kurve bekommen, in sehr beeindruckender und lehrreicher Art und Weise. Einen Großteil des Umsatzes erwirtschaften sie heute mit Dienstleistungen und Software, nicht mehr mit Hardware.

Kuiken: Da sind wir wieder am Anfang des Gesprächs: Vorausschauen nutzt nur dann etwas, wenn wir auch bereit sind, uns anzupassen. Man muss bereit sein, neue Wege zu gehen.

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