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Think City
29.08.2017

Wer zu früh kommt

In den 1990er-Jahren arbeiten Ingenieure bei nahezu allen großen Autokonzernen an Elektrofahrzeugen. Doch die Pioniere haben mit dem ersten Anlauf keinen Erfolg: Die Absatzzahlen sind gering, der damals vor allem aus den USA stammende politische Druck schwindet wieder. Einige der damals gewonnen Erkenntnisse sind noch heute aktuell.

Bereits 1990 beschloss Kalifornien eine feste Quote für Nullemissionsfahrzeuge - zunächst zwei, wenige Jahre später dann schon zehn Prozent. In diesem Jahr wurde in Los Angeles 41 mal der Smog-Alarm der höchsten Stufe ausgelöst, deshalb macht die kalifornische Behörde für Luftreinhaltung, das California Air Resources Board, kurzen Prozess. Wie schon bei der Einführung des Katalysators wenige Jahre zuvor will der Bundesstaat am Pazifik eine Vorreiter-Rolle einnehmen. Null Emissionen, zumindest lokal, das ist beim damaligem Stand der Technik nur mit Hilfe batterieelektrischer Antriebe zu erreichen. Das Elektroauto jedoch hat sowohl bei den etablierten amerikanischen als auch den europäischen Herstellern bislang ein Nischendasein in den Forschungsabteilungen geführt und ist weit von der Alltagstauglichkeit entfernt.

Der EV1 von General Motors hat eine Reichweite von 70 Meilen

Die Reaktionen in der Industrie fallen unterschiedlich aus. Der damals größte Autohersteller der Welt, General Motors, vertraut ganz auf die eigene Kraft. Die Ingenieure entwickeln einen ohnehin vorhandenen Prototypen zu einem Serienmodell weiter. Es debütiert 1996 unter der schlichten Bezeichnung „EV1“. Auch damals bereitet den Technikern die Akku-Reichweite die größten Sorgen. Der EV1 hat 26 Bleiakkus an Bord und kann damit nominal rund 70 Meilen weit fahren. Eine weiterentwickelte Version mit Nickel-Metallhydrid-Akkus und deutlich größerer Reichweite kommt erst im letzten Produktionsjahr zum Einsatz. Um die Batterie zu schonen, wird der Luftwiderstand konsequent minimiert. Der cw-Wert des Zweisitzers beträgt nur 1,95, die ungewohnte Tropfenform der Karosserie trägt aber nicht unbedingt zur Akzeptanz des Fahrzeuges bei. Insgesamt gelangen bis zum Jahr 2000 nur etwa 800 Elektrofahrzeuge in Kundenhand, allesamt per drei Jahre laufendem Leasing-Vertrag. Nachdem eine Klage mehrerer Hersteller gegen die Elektroauto-Quote in Kalifornien erfolgreich ist, beginnt General Motors im Jahr 2002 damit, die Fahrzeuge einzusammeln und zu verschrotten.

Der TH!NK von Ford kombiniert Leichtbau mit einem Nickel-Cadmium-Akku

Think City
Hat etwas, was den Weltkonzern FORD zunächst sehr interessiert: ein batterie-elektrisches Serienauto.

Auch Ford reagiert auf das Gerichtsurteil und verkauft 2003 einen Elektroautohersteller, den die Amerikaner erst 1998 übernommen haben. Die norwegische Firma Pivco Industries, von Ford in „Th!nk“ umbenannt, hat etwas, was den Weltkonzern zunächst sehr interessiert: ein batterie-elektrisches Serienauto. Der wassergekühlte Nickel-Cadmium-Akku erlaubt eine bescheidene Reichweite von 55 Meilen – und das, obwohl die Leichtbau-Karosserie aus einer Kunststoff-Außenhaut besteht, mit der ein Stahlrahmen beplankt ist. Die Pläne von Ford gehen aber über das Auto hinaus. Auf der Detroit Motor Show im Januar 2000 kündigt William Clay Ford Junior, Urenkel von Henry Ford, an, aus Th!ink eine neue Mobilitätsmarke zu machen. Angedacht ist unter anderem die kurzfristige Bestellung von Fahrzeugen über das Internet als auch eine neue Generation von Fahrrädern mit elektrischem Hilfsmotor – Geschäftsmodelle, die damals noch der Schein des Exotischen umgab. Der Autoverkauf, zunächst auf Norwegen beschränkt, erfüllt mit rund 1.000 Fahrzeugen innerhalb von drei Jahren die Erwartungen des Großkonzerns jedoch nicht. Nach dem Verkauf des Unternehmens durchlebt „Th!nk“ eine wechselvolle Geschichte in der Hand mehrerer Investoren – bis 2012 der Vorhang endgültig fällt.

Deutsche Autobauer setzen auf verbesserte konventionelle Pkw

Die deutsche Automobilindustrie, für die die USA damals den wichtigsten Überseemarkt darstellen, reagiert ingenieursmäßig auf die kalifornische Gesetzgebung: Erst einmal gründlich untersuchen, lautet die Devise. Dazu starten mehrere Hersteller unter Aufsicht des Bundesforschungsministeriums gemeinsam einen dreijährigen Großversuch auf der Insel Rügen. Neben BMW, Mercedes-Benz, Opel und Volkswagen beteiligen sich auch Fiat und der Bushersteller Neoplan mit insgesamt 60 Fahrzeugen, die auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft werden sollen. Sie sind mit verschiedenen Stromspeichern ausgerüstet, nur der damals noch als „ferne Zukunftshoffnung“ bezeichnete Lithium-Ionen-Akku fehlt. Neben der Fahrzeugtechnik werden auch verschiedene Ansätze für das Stromtanken untersucht, inklusive einer Schnellladesäule mit 60 Kilowatt. Als die Ergebnisse 1995 vorliegen, kommt es unter den Beteiligten zur Diskussion: Die Projektgesellschaft stellt im Abschlussbericht fest, dass das Elektrofahrzeug „trotz technischer Einschränkungen“ von den Versuchsteilnehmern akzeptiert würde. Zweitwichtigster Punkt der Analyse: „Nach einhelliger Meinung der Fahrer hat das E-Fahrzeug ein Erziehungspotenzial hin zu weniger aggressiver Fahrweise.“ Das mit der Erstellung einer Ökobilanz beauftragte IFEU-Institut kommt hingegen zu dem Schluss, dass „die Substitution mit weiter verbesserten konventionellen Pkw sehr viel schneller, zuverlässiger und preiswerter die reale Schadstoffsituation den Luftqualitätszielen annähert, als dies Elektrofahrzeuge heutiger Prägung tun können“. Zudem sind die – damals noch nicht im Zentrum der Diskussion stehenden – CO2-Emissionen der Elektrofahrzeuge „auch bei sehr günstigen Einsatzbedingungen“ um 20 Prozent höher, wenn man auch den Energieaufwand für die Produktion berücksichtigt. Die Autohersteller entscheiden schließlich für die Sichtweise des IFEU. Die Entwicklung batterieelektrischer Antriebe wird zurückgestellt, stattdessen viel Geld in die Entwicklung der mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle investiert. Einen Sonderweg beschreitet Audi kurzfristig mit dem Duo, einem Kombi auf Basis des A4, der über einen Hybridantrieb verfügt. Die Serienfertigung beginnt Mitte 1997, etwa zeitgleich mit dem Toyota Prius – und wird ein Jahr und 90 Exemplare später wieder eingestellt.

20 Jahre später haben sich die Rahmenbedingungen geändert: Die Quoten für Elektrofahrzeuge kommen aus China, mittlerweile mit Abstand der größte Pkw-Markt der Welt. Akku- und Lade-Technologien haben große Fortschritte gemacht. Und die Pioniere von einst werden auf der IAA 2017 zeigen, dass sie mit neuem Mut an die Aufgabe gehen, emissionsfreies Fahren zu ermöglichen.

 

Images TH!NK vehicle courtesy of Ford

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