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Wärmebild von Passanten auf einer Straße. Copyright: iStock/ivansmuk

Energiequelle Mensch

Der menschliche Körper verbraucht nicht nur Energie. Er produziert auch welche – und er gibt einen Teil davon an die Umgebung ab. Kann Körperenergie also eine nutzbare Quelle sein?

Der Mensch steht im wahrsten Sinne des Wortes unter Strom. Denn mit jedem Schritt, jeder Muskelkontraktion und sogar mit Zellreaktionen erzeugt der Körper Energie. Im Ruhezustand produziert der menschliche Körper durchschnittlich 100 Watt Leistung. Beim Sport erreicht er 300 bis 400 Watt. Das entspricht einem Tagesverbrauch von 2.000 Kilokalorien oder, anders gerechnet, einem LED-Flutlicht, das 24 Stunden lang leuchtet. Einen großen Teil der produzierten Energie nutzt der Körper selbst: zum Denken, für Bewegung oder um Organe und Zellen zu versorgen. Und selbst in der Nacht verbraucht er Energie. Was dann noch übrig ist, gelangt als Wärme in die Umgebung.

Körperwärme, eine natürliche Heizung

Ein Raum voller Menschen heizt sich deshalb allein durch deren Anwesenheit auf. Ihre Körperwärme fungiert wie eine natürliche Heizung. Und die lässt sich auch in größerem Maßstab nutzen: Unter Beweis stellt das zum Beispiel die Mall of America, die größte Einkaufspassage der USA. Jährlich schlendern 42 Millionen Besucher durch das Shoppingparadies nahe Minneapolis und sorgen so für angenehme Temperaturen. Denn selbst ohne Zentralheizung herrschen dort im Winter 21 Grad Celsius. Körperenergie wird auch in Schweden gezielt eingesetzt: Am Stockholmer Hauptbahnhof staut sich täglich die Wärme von 250.000 Passanten. Bevor diese sinnlos verpufft, wird sie von Wärmetauschern aufgefangen. Ein System aus unterirdischen Wassertanks und Rohren speichert dann die Energie und leitet sie anschließend in das Heizsystem eines benachbarten Bürogebäudes ein.

Wenn Schritte Strom erzeugen

Wer den Menschen als Kraftwerk betrachtet, kann nutzbare Körperenergie hochrechnen. So lassen sich mit einem Watt Energie beispielsweise 133 Scheiben Toastbrot toasten oder eine Stunde lang die Haare föhnen. Könnten wir also mithilfe unserer Körperenergie etwa unsere Haushaltsgeräte antreiben? So fern scheint dieser Gedanke nicht zu sein. Immerhin hat der Mensch bereits in den 1940er Jahren Radios erfunden, die sich per Kurbel antreiben ließen. Die Fortschritte bei den Batterien machten die Kurbelradios zwar wiederum überflüssig, der Dynamo fürs Fahrrad ist vielerorts dagegen noch in Gebrauch ‒ angetrieben durch die reine Muskelkraft. Der Mechanismus ist in einigen Teilen der Welt inzwischen abstrahiert worden. So hat ein US-amerikanisches Start-up vier Straßenlaternen auf einem öffentlichen Platz in Las Vegas installiert, die Strom aus dem Sonnenlicht und aus den Schritten von Passanten ziehen. Neben einer Krone aus Solarzellen sind die Laternen mit kinetischen Kacheln auf dem Fußboden ausgestattet. Die Kacheln sinken beim Auftreten leicht ab, ähnlich vorstellbar wie eine Haushaltswaage. Die mechanische Energie überträgt sich auf kleine Generatoren, die direkt unter den Fliesen sitzen und diese dann in Strom umsetzen. Ein Schritt kann durch ein solches System vier bis acht Watt generieren, je nach Druck der Schritte.

Tanzen und schwitzen für mehr Watt

Diese Bewegungsenergie oder kinetische Energie hat sich auch die Nachtclubszene zunutze gemacht: Und zwar setzen Veranstalter auf kinetische Platten im Fußboden. Je intensiver das Publikum tanzt, desto mehr Strom entsteht. Als Erster seiner Art zieht der schottische Club „SWG3“ in Glasgow neben der Kinetik auch Körperwärme aus dem tanzenden Publikum. Wärmepumpen und Flüssigkeiten fangen die Wärme im Innenraum zunächst auf und speisen die daraus gewonnene Energie direkt zur Kühlung des Publikums wieder in die Klimaanlage ein.

Die Idee, menschenerzeugte Energie zu nutzen, ist also weder abwegig noch neu. Nur: Wie weit trägt das Konzept tatsächlich? Wo liegen die Grenzen des Kraftwerks Mensch? Die Antwort ist bislang eher ernüchternd: Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energiequellen wie Wind- oder Solarkraft steht Körperenergie nun einmal nicht im großen Stil zur Verfügung: Während zwar genug Energie für wenige Straßenlaternen gewonnen werden kann, übersteigt der Bedarf einer Ortschaft oder gar einer Stadt deutlich die Kapazitäten.

Mini-Generatoren: Mehrere Hersteller experimentieren bereits mit dem Körper als Energiequelle für Herzschrittmacher.  © Shutterstock/ChooChin

Elektronische Kleingeräte mit Potenzial

Der Einsatz muss also im Kleinen, begrenzt, gedacht werden: Ein Schweizer Start-up plant aktuell in diesem Sinne Wearables auf den Markt zu bringen, die nicht nur am Körper getragen, sondern auch von ihm angetrieben werden. Ein Prototyp des Unternehmens sieht eine Armbanduhr vor, die mithilfe sogenannter thermoelektrischer Generatoren funktioniert. Eine Seite des Mini-Generators liegt dabei direkt auf der Haut, die andere Seite grenzt an das Uhrwerk. Aus der Temperaturdifferenz zwischen Körper und Material entsteht Energie, welche die Uhr zum Laufen bringt.

Auf elektronische Kleingeräte bezogen birgt Körperenergie also echtes Innovationspotenzial: Experimentiert wird aktuell von verschiedenen Herstellern auch mit energieautarken Hörgeräten oder Herzschrittmachern, die vom Herzschlag selbst angetrieben werden. Womöglich ließen sich auch sogenannte Piezofasern in Kleidung einnähen, also Fasern, die mechanische in elektrische Energie umwandeln und so parallel das Smartphone aufladen. Auch wenn Letzteres noch mehr Fiktion als Realität ist und das Kraftwerk Mensch vermutlich stets eine Gastrolle unter den alternativen Energien spielen wird, hat es einen großen Vorteil: Es gibt bekanntlich Milliarden von Menschen. Zusammengerechnet schlummert da auch im Kleinen eine ganze Menge an Potenzial.


Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.

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