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Methanol im Blauwasser
Bis zum Jahr 2050 soll die internationale Handelsschifffahrt klimaneutral werden: eine große Herausforderung für die Transportbranche, aber auch eine Chance für alternative Energieträger. Freudenberg Sealing Technologies entwickelt daher maritime Brennstoffzellensysteme, die Strom aus grünem Methanol erzeugen können.
10.557 nautische Meilen trennen die Häfen in Rotterdam und Schanghai. Die wichtigste Handelsroute zwischen China und Europa absolvieren moderne Containerschiffe in weniger als 30 Tagen – einige im Liniendienst mit Zwischenstopps, andere ohne weitere Liegezeiten. Dabei verbrennt ein einziges Schiff, das mehr als 20.000 Standardcontainer laden kann, fast zehn Tonnen Schweröl pro Stunde. Die Zahlen machen deutlich: Die rund 100.000 kommerziell genutzten Schiffe auf den Weltmeeren CO2-neutral zu betreiben ist eine gewaltige Herausforderung. Geboten wäre es allerdings, denn der International Maritime Organization (IMO) zufolge ist der Warentransport per Schiff für rund 2,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. So verfolgt die IMO, in der sich 174 Staaten zusammengeschlossen haben, das Ziel, bis zum Jahr 2050 die komplette Schifffahrt klimaneutral zu machen.
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2050 klingt weit weg, doch Nils Martens, der bei Freudenberg Sealing Technologies das Geschäft mit Batterie- und Brennstoffzellensystemen verantwortet, weist auf die langen Nutzungszeiten hin: „Handelsschiffe sind teilweise länger als 30 Jahre im Dienst. Deshalb macht sich derzeit jeder Schiffbauer und jeder Betreiber Gedanken darüber, wie das Ziel zu erreichen ist.“ Ein reiner Akkubetrieb ist nur dann eine gute Lösung, wenn die Fahrdistanz kurz ist und die Liegezeit lang genug, um die Akkus wieder aufzuladen – etwa im Fährdienst. Zudem können die Batterien als Teil eines Hybridantriebs den Dieselantrieb unterstützen und so emissionsfreies Manövrieren im Hafen ermöglichen. Die Technik ist ausgereift. Beispielsweise liefert Freudenberg in einer Partnerschaft mit ABB die Batterien für neue Fähren auf der Strecke Dover–Calais, die ab dem Jahr 2023 in Dienst gestellt werden sollen.
Dreimal mehr Energie im Tank
„Für die internationale Schifffahrt benötigen wir allerdings andere Antriebe und andere Energieträger“, erläutert Martens. Und da kommt die Brennstoffzelle ins Spiel, die den Strom für Antrieb und den „Hotelbetrieb“ an Bord erzeugt. Für die Hochseeschifffahrt ist jedoch der in Brennstoffzellen genutzte Wasserstoff nur bedingt geeignet. Die volumetrische Energiedichte von Wasserstoff ist – selbst wenn er verflüssigt und bei minus 253 Grad Celsius gespeichert wird – siebenmal geringer als die von gängigem Schiffsdiesel. In der Konsequenz wären riesige Kraftstofftanks notwendig, die wertvolle Transportkapazität kosten. Deshalb hat Freudenberg ein Brennstoffzellensystem entwickelt, das mit einem vorgeschalteten Methanolreformer arbeitet. Methanol kann aus „grünem“, also mithilfe von Wasser und Ökostrom produzierten Wasserstoff hergestellt werden, ist aber anders als Letzterer bei Normalbedingungen flüssig und besitzt rund die dreifache Energiedichte. Wird zudem der Kohlenstoff für die Methanolproduktion nicht aus fossilen Quellen gewonnen, sondern beispielsweise aus der Luft abgeschieden oder das Methanol aus Biomasse erzeugt, handelt es sich um einen komplett klimaneutralen Kraftstoff.
Wir erreichen mit unseren Systemen Betriebszeiten von mehr als 30.000 Stunden.
Nils Martens, Senior Vice President Battery & Fuel Cell Systems bei Freudenberg Sealing Technologies
Für den Einsatz auf hoher See entwickelt Freudenberg Brennstoffzellen in Containerbauweise. Brennstoffzellenstapel, Reformer und Steuerungselektronik sowie alle weiteren Komponenten befinden sich dabei in einem vorgefertigten Container, der eine einfache Installation an Bord erlaubt. Der einzelne Container kann über eine Nennleistung von bis zu 500 Kilowatt verfügen und ist mit weiteren Einheiten modular zu Gesamtleistungen im hohen zweistelligem Megawattbereich und darüber hinaus skalierbar. Verglichen mit einem verbrennungsmotorischen Antrieb hat ein Cluster aus Brennstoffzellen auch für den Schiffbauer einen gewaltigen Vorteil: Der mechanische Durchtrieb vom Energiewandler auf den Propeller entfällt. Das ermöglicht völlig neue Bauweisen, in denen beispielsweise auf einen großen zentralen Maschinenraum verzichtet werden könnte.
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Doch ist so ein Brennstoffzellenstapel, in dem Hunderte hauchdünner, mit Edelmetall beladener Membranen zusammenwirken, genauso robust wie der tonnenschwere Zylinder eines Zweitakt-Dieselmotors? „Wir erreichen mit unseren Systemen Betriebszeiten von mehr als 30.000 Stunden und sehen Optionen, diese zukünftig sogar noch weiter zu erhöhen“, zerstreut Martens die Bedenken. „Damit bewegen wir uns in einem Bereich, in dem auch Verbrennungsmotoren überholt werden, und sind wettbewerbsfähig.“
Die Zelle sticht in See
Noch in diesem Jahr werden sich die ersten Brennstoffzellensysteme von Freudenberg auf See bewähren müssen. An Bord eines neuen von der Meyer Werft in Papenburg gebauten Kreuzfahrtschiffes der Helios-Klasse soll es unter realen Bedingungen erprobt werden. Zunächst wird dabei nur der Bordstrom via Brennstoffzelle erzeugt. Doch schon deutlich vor dem Jahr 2030 könnten die ersten Schiffe vom Stapel laufen, die mit einem Hybridsystem aus Brennstoffzellen und Batterien ausgestattet sind. „Wir stecken bereits mitten in der Industrialisierung“, bekräftigt Martens. Am Standort München eröffnet Freudenberg Sealing Technologies 2021 ein zweites Entwicklungszentrum, in dem nicht nur das Produkt, sondern auch die Fertigungstechnologie weiter optimiert wird.
Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.
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