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Diese Grafik zeigt ein Modell einer Wasserstoff-Infrastruktur mit Stahlwerk, Wasserstoffproduktion usw.
26.11.2024

Auf dem Weg zur Wasserstoffinfrastruktur

Die Nachfrage nach grünem Wasserstoff steigt stetig. Doch wie kommt er dorthin, wo er benötigt wird? Dr. Britta Mayerhöfer, Application Specialist Hydrogen bei Freudenberg Sealing Technologies, beleuchtet Herausforderungen und Chancen einer flächendeckenden Wasserstoffinfrastruktur.

Wasserstoff ist längst nicht mehr nur ein Energieträger der Zukunft. Vielmehr ist er bereits ein wichtiger und etablierter Rohstoff in der chemischen Industrie. Glashütten, Stahlwerke und Chemieparks – sie alle brauchen Wasserstoff, sei es zur Herstellung von Ammoniak und Methanol oder aber zur Dekarbonisierung einzelner Prozessschritte. Für Letzteres ist grüner Wasserstoff notwendig. „Häufig kann der aber andernorts günstiger produziert werden“, erläutert Dr. Britta Mayerhöfer, Application Specialist Hydrogen, Freudenberg Sealing Technologies. „Deshalb ist es so wichtig, eine gute Wasserstoffinfrastruktur zu schaffen. Im Fokus steht zuerst die Industrie, denn hier lassen sich mit grünem Wasserstoff viele Emissionen vermeiden“, sagt sie. Danach sollen die Luftfahrt und der Schwertransport folgen. „Sobald wir ausreichende Mengen an grünem Wasserstoff zur Verfügung haben, können wir ihn schrittweise auch für Pkw oder sogar zum Heizen nutzen.

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Um die Versorgung mit grünem Wasserstoff in Zukunft auszubauen, braucht es Planungssicherheit und Förderung.

Import über den Seeweg

Zuerst geht es darum, die Industriestandorte mit den Häfen zu verbinden. Denn besonders in Europa sind viele Länder langfristig auf den Import von grünem Wasserstoff angewiesen. Der kommt häufig aus Nordafrika, Südamerika oder Australien – also auf dem Seeweg. Als Gas ist Wasserstoff zu voluminös, um ihn per Schiff zu transportieren. Deshalb wird er entweder verflüssigt oder chemisch in Ammoniak, Methanol oder Methan umgewandelt. Die Verflüssigung von Wasserstoff ist ein sehr energieintensiver Vorgang, weil das Gas auf minus 253 Grad Celsius abgekühlt und bei dieser Temperatur gehalten werden muss. Für große Mengen ist dieses Verfahren keine gängige Praxis.

Um den Wasserstoff in Ammoniak oder Methanol umzuwandeln, wird ihm vor dem Transport Stickstoff oder Kohlenstoff hinzugefügt. Ammoniak kann bei einer Temperatur von nur minus 33 Grad Celsius transportiert werden, Methanol ist gar nicht zu kühlen. „Die chemische Industrie benötigt beide Stoffe ohnehin als Ausgangsstoffe“, erklärt Mayerhöfer. „Wenn ich sie grün herstellen kann, dann ist das natürlich ein Vorteil.“ Beim Transport von Ammoniak und Methanol hat die chemische Industrie viel Erfahrung. Jedoch bringen die riesigen in Zukunft benötigten Mengen zur Deckung des Bedarfs in Europa neue Herausforderungen mit sich. „Dafür bräuchten wir ausreichend Zwischenlager oder andere Speichermöglichkeiten. Und nicht alle Häfen verfügen über geeignete Importterminals zum Be- und Entladen von Ammoniak oder Methanol“, gibt Mayerhöfer zu bedenken. Die Stoffe sind gewässergefährdend und unterliegen bestimmten Transportauflagen. Entweichen sie ins Meer, kann das toxisch für die Lebewesen in der Umgebung sein.

Einheitliche europäische Infrastruktur

Ist der grüne Wasserstoff erst einmal auf dem Festland eingetroffen, dann lässt er sich auf verschiedene Arten weiterbefördern: per Zug, per Lkw oder per Pipeline. „Im Rahmen des europäischen ,Green Deal‘ ist man sehr um einen einheitlichen Binnenmarkt bemüht, damit sich der Wasserstoff über Landesgrenzen hinweg innerhalb der Europäischen Union einfach transportieren lässt“, so Mayerhöfer. Das sei jedoch gar nicht so leicht: „In Europa ist zunächst einiges an Koordination gefragt, bevor ein gemeinsames Wasserstoffnetz starten kann. Das braucht Zeit“, sagt sie. Anders geschieht es beispielsweise in den USA. „Hier werden lokal konzentrierte Wasserstoff-Hubs – also Modellregionen – aufgebaut, die meist alle Aspekte der Wertschöpfungskette von Herstellung über Transport bis zur Endnutzung abbilden.“

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Dr. Britta Mayerhöfer

Dr. Britta Mayerhöfer ist Application Specialist Hydrogen bei Freudenberg Sealing Technologies. Schon in ihrer Promotion legte sie den Fokus auf Elektrolyse und Elektrochemie und arbeitete anschließend an der Entwicklung von Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyseuren und Elektrolyse-Komponenten. Bei Freudenberg Sealing Technologies ist sie für die globale Geschäftsentwicklung im Wasserstoffsektor verantwortlich. „Wir schauen auf die gesamte Wasserstoffwertschöpfungskette und überprüfen die Applikationen auf ihre Potenziale und auf ihre Relevanz für die unterschiedlichen Regionen der Welt.“

Neue Materialien für Kompressoren

Wo immer künftige Netze über das Festland verlaufen, lässt sich der Wasserstoff via Pipeline transportieren. Der Vorteil: Er muss dafür weder verflüssigt noch umgewandelt werden. In einigen Fällen sind für den Transport sogar bestehende Erdgas-Pipelines nutzbar, erklärt Mayerhöfer: „Solange wir Erdgas fördern und dann fünf bis zehn Prozent Wasserstoff beimischen, kann die bestehende Infrastruktur meist weiter verwendet werden.“ Sollte jedoch reiner Wasserstoff durch die Leitungen gehen, dann hilft nur umrüsten. Die Dichtungen entlang der Pipelines müssen auf ihre Kompatibilität mit dem deutlich flüchtigeren Stoff hin überprüft werden. Das Hauptproblem sieht Mayerhöfer aber in den Kompressoren: „Die in Erdgasnetzen gebräuchlichen Turbokompressoren sind nicht gut geeignet, um den Wasserstoff auf das benötigte Drucklevel zu bringen.“ Kompressoren sind jedoch entscheidend, damit der Wasserstoff mit ausreichendem Druck durch die Pipeline fließt. „Deshalb fokussieren wir uns bei Freudenberg Sealing Technologies auf die Dichtungen für Kolbenkompressoren“, erklärt sie. „Wir optimieren unsere Materialien genau auf die Betriebsanforderungen dieser Kompressoren.“

Energieversorgung: LNG-Terminals könnten in Zukunft auch dafür genutzt werden, importierten Wasserstoff zwischenzulagern und weiterzuverteilen. © AdobeStock/Yellow Boat

Fehlende Gewissheit

Wenn also das Pipelinenetz ausgebaut wird, ist Freudenberg bereit. Doch noch befindet sich das Wasserstoffkernnetz im Bau und soll erst bis 2032 fertiggestellt sein. Und es fehlt noch eine entscheidende Zutat – der Wasserstoff. „Das ist ein grundsätzliches Problem: Es gibt noch nicht genügend grünen Wasserstoff, damit sich große Investitionen in eine flächendeckende Infrastruktur lohnen. Umgekehrt ist es schwer, einen guten Business Case für Wasserstoff aufzubauen, wenn die nötige Infrastruktur für Transport und Verteilung fehlt“, sagt sie. Denn anders als etwa bei erneuerbaren Energien, beispielsweise einer Solaranlage, fallen neben den Investitionskosten auch die Betriebskosten stark ins Gewicht. „Grüner Wasserstoff ist noch wesentlich teurer als grauer und es fehlen Anreize für Unternehmen, in grünen Wasserstoff zu investieren.“

Diese müssten vonseiten der Politik geschaffen werden. „Um die Versorgung mit grünem Wasserstoff auszubauen, braucht es Planungssicherheit sowohl für die Erzeuger als auch für die Abnehmer“, sagt Mayerhöfer. Ein weiterer Grund für die Verzögerung des Ausbaus der Wasserstoffinfrastruktur ist die Regulatorik, die erst im Entstehen ist: „Im Moment gibt es viele Konzepte, in welcher Form und auf welchem Weg der Wasserstoff vom Produktionsort zur Endnutzung gebracht werden kann. Wir forschen und entwickeln in ganz viele Richtungen“, sagt sie. Doch um sowohl die Wasserstoffherstellung als auch die Infrastruktur schnellstmöglich hochzufahren, braucht man einen klaren Rahmen. „Gemeinsam mit unseren Kunden haben wir im Kleinen für vieles eine Lösung gefunden. Sobald klar ist, wo es hingehen soll, können wir mit der Skalierung starten.“


Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.

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