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Wer fehlt wo?
Was nützt die beste Technik, wenn niemand da ist, der sie bedienen kann? Gut ausgebildete Fachkräfte bleiben trotz der zunehmenden Automatisierung vieler Arbeitsprozesse die wichtigste Ressource der Wirtschaft. Und sie wird knapp.
Es sind düstere Aussichten für 2030: Schon seit Jahren warnen Analysten vor dem „Global Skills Gap“. Fachkräftemangel werde den technischen Fortschritt bremsen, Wirtschaftskraft und Wohlstand der Volkswirtschaften mindern und damit eine globale Krise einleiten – wenn Unternehmen und Politik nicht mit Qualifizierungsprogrammen und einem Wandel der Arbeitskultur gegensteuern. Die Mahner präsentieren Charts, in denen Linien auseinanderdriften wie offene Scheren und in denen sich Alterspyramiden in ausgebeulte Urnen verwandeln. Die Aussagen decken sich: 2030 wird ein kritisches Ungleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot erreicht sein. Dann geht die Babyboomer-Generation der westlichen Industrienationen in Rente.
Die Unternehmensberatung Korn Ferry prognostiziert, dass 2030 weltweit 85 Millionen Arbeitskräfte fehlen werden, und beziffert dies mit einem Defizit von 8,5 Billionen Dollar. Genauer gesagt fehlen Menschen, deren Qualifikationen zu den Jobs der nahen Zukunft passen. So gesehen ist der Begriff „Fachkräftemangel“ nicht präzise – es ist eher ein Missverhältnis, ein „Talent Mismatch“. Dieser Perspektivwechsel offenbart, dass viele Menschen nicht die Möglichkeit haben, Wissen aufzubauen, das sie zu den immer häufiger geforderten hochspezialisierten Aufgaben befähigt. Zum anderen passen Strukturen der alten Arbeitswelt nicht zu den Bedürfnissen der jüngeren Generationen.
Jedem zweiten Unternehmen fehlen Fachkräfte
Schon 2019 fand weltweit jedes zweite Unternehmen nicht genug Spezialisten. Das analysierte die ManpowerGroup im Report „Closing the Skills Gap: What Workers Want“. Eine Weltkarte in diesem Report zeigt die am stärksten betroffenen Länder dunkelrot: die USA, Japan, Taiwan und Hongkong, aber auch europäische Länder wie Polen, Finnland, Ungarn, Rumänien, Kroatien und Griechenland. Nur wenig besser, in hellerem Rot eingefärbt, sind Deutschland, Schweden, Portugal und die Slowakei sowie Israel und Neuseeland.
Die USA stehen im Vergleich mit allen anderen Ländern in unserer Studie vor einem besonders alarmierenden Fachkräftemangel.
Unternehmensberatung Korn Ferry
„Die USA stehen im Vergleich mit allen anderen Ländern in unserer Studie vor einem besonders alarmierenden Fachkräftemangel“, resümiert auch Korn Ferry in „Future of Work. The Global Talent Crunch”. Dieser könne mit einem Minus von sechs Prozent des Wirtschaftsvolumens einhergehen, prophezeien die Analysten. Einzig Indien wird demnach 2030 über einen Überschuss an Arbeitskräften von Tech-Experten bis zu Fabrikarbeitern verfügen. Ein riesiges Potenzial hat auch Afrika, denn auf dem Kontinent wird 2030 ein Viertel der Menschen jünger als 25 sein. Jetzt hängt alles von den Bildungsmöglichkeiten für diese Generation ab. Gegenwärtig finden viele Unternehmen in Afrika noch nicht genug qualifizierte Mitarbeiter, weshalb zwei Drittel der CEOs weniger investieren können, als sie möchten.
Welche Kompetenzen wirklich fehlen
Fachkräftebedarf wird oft mit den sogenannten „MINT“-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik assoziiert, den Grundlagen der Ingenieurberufe. Gesamtwirtschaftlich gesehen täuscht der Eindruck aber, weil sich viele große Studien auf den Technologie- und Finanzsektor konzentrieren. Durchs Raster fallen Engpässe in nichtakademischen Berufen, die das öffentliche Leben am Laufen halten.
Ein ausgewogeneres Bild zeigt die Studie der ManpowerGroup. Hier führen Handwerksberufe die Liste der meistgesuchten Kompetenzen an, vor Vertrieb und Marketing sowie Technik. An vierter Stelle kommen Ingenieure, dann Fahrer und Logistiker. Erst an sechster Stelle stehen IT-Fachleute. Es folgen Spezialisten wie Finanzanalysten sowie Praktiker wie Maschinenführer und Baufacharbeiter. Erstmals sind Ärzte und Pflegepersonal in die Top Ten des jährlich erhobenen Rankings aufgestiegen.
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Freie Klinikbetten – aber keine Pflegekräfte
Den Fachkräftemangel im medizinischen Sektor spürt beispielsweise Deutschland aktuell in der Corona-Pandemie besonders drastisch: Hier stehen zwar viele Intensivbetten und Beatmungsgeräte zur Verfügung, aber nicht genug Intensivpfleger. Deutschlands Gesundheitssystem gilt als eines der besten der Welt – doch sein wunder Punkt ist der Pflegenotstand. Das Land mit der zweitältesten Bevölkerung der Welt braucht bis 2025 zusätzlich rund 150.000 Kranken- und Altenpfleger. Deshalb werden sie gezielt aus anderen Ländern angeworben, etwa aus Mexiko, Vietnam, Tunesien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und von den Philippinen. Bilaterale Abkommen sollen einen Brain Drain verhindern, denn eine übermäßige Abwanderung gut ausgebildeter Arbeitskräfte schwächt die Wirtschaft der Herkunftsländer. Doch Länder mit einer demografischen Entwicklung wie Deutschland sind auf Arbeitsmigration angewiesen.
Diese Spezialisten braucht die Welt
Ein guter Indikator für den globalen Technologiewandel ist die steigende Nachfrage nach bestimmten Spezialisten. So sucht Deutschland unter anderem Ingenieure für Mechatronik und Automatisierung. In den USA gewinnen erneuerbare Energien an Bedeutung. Deshalb schnellt der Bedarf an Technikern für Windkraftanlagen und Solarmodule in die Höhe. Saudi-Arabien wiederum kann sich nicht ewig auf seine Ölreserven verlassen. Das Land muss IT-Know-how aufbauen, um beim Technologiewandel mitzuhalten. Die wichtigste Zukunftsressource ist deshalb die sehr junge und mobil vernetzte Bevölkerung. Sie soll für Cloud-Computing, Cybersicherheit und Netzwerktechnik qualifiziert werden. Außerdem ist es unerlässlich, die männlich dominierte Arbeitswelt für die vielen gut ausgebildeten Frauen zu öffnen. In Japan sinkt dagegen mit der Geburtenrate auch der natürliche Nachschub an Arbeitskräften. Das Land automatisiert deswegen Produktionsprozesse – was aber den Bedarf nur verlagert: Denn gefragt sind jetzt App-Entwickler sowie Experten für künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge. Auch China treibt massiv die Digitalisierung seines gigantischen Industriesektors voran und begehrt die noch raren Experten für künstliche Intelligenz und Blockchain sowie Full Stack Developer, die Supertalente unter den Programmierern. So entstehen in zahlreichen Ländern Berufe, die die staatlichen Jobvermittlungen noch gar nicht kennen. Fest steht: Wir brauchen eine Qualifizierungsoffensive. Im Interesse der Wirtschaft und im Interesse der Menschen.
Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und –märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.
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