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Illustratives Bild mit einer Hand, die eine Lupe hält.
21.02.2023

Innovation auf den zweiten Blick

Ein neuer Werkstoff wird entdeckt. Aber erkennt man auch direkt sein Potenzial? Das dauert manchmal etwas länger...

Zelluloid

Ein neuer Stoff …

In den 1860er Jahren war der Chemiker John Hyatt auf der Suche nach einem neuen Material für Billardkugeln. Diese wurden bis dahin meist aus Elfenbein gefertigt, was sie zu einem extremen Luxusartikel machte. Hyatt stieß bei seiner Suche auf die Verbindung aus Nitrozellulose und Kampfer, die einige Jahre zuvor entdeckt worden war. Er verfeinerte die Herstellung und machte das Material massentauglich. Der neue Kunststoff erwies sich als äußerst vielseitig: von Brillengestellen über Kämme bis hin zu Spielzeug. Leider war der Werkstoff leicht entflammbar, sodass er ab 1950 mehr und mehr durch andere Materialien ersetzt wurde.

… Stoff für Neues

Rund 30 Jahre später entwickelte der Amerikaner Hannibal Goodwin den Werkstoff weiter – zu einem flexiblen, elastischen und durchsichtigen Material. Dieser Zelluloidfilm ersetzte in der Fotografie die Glasplatten als Trägermaterial. Plötzlich konnten handliche Rollfilme hergestellt werden: der Grundstein für die moderne Fotografie, aber vor allem auch für den Film! Mit Glasplatten wären keine Bewegtbilder möglich gewesen (man denke an Dias), der Rollfilm jedoch erweckte Träume auf der Leinwand zum Leben.

Carbon

Ein neuer Stoff …

Die Entdeckung einer ganzen Werkstoffgruppe gelang in den 1870er Jahren im Zuge einer anderen bahnbrechenden Neuerung: der Glühlampe. Auf der Suche nach dem perfekten Material für den Glühdraht experimentierte Thomas Edison mit verschiedenen Werkstoffen. Er suchte nach einer Faser, die biegsam, robust und elektrisch leitfähig war. Schließlich fand er einen japanischen Bambus, dessen Fasern genau diese Eigenschaften hatten, wenn man sie durch Erhitzen verkohlte („Karbonisierung“). Er machte die Glühlampe damit wettbewerbsfähig. Nebenbei hatte er auch noch die erste Carbonfaser erfunden.

… Stoff für Neues

Zwar werden heute andere Ausgangsstoffe für die Karbonisierung verwendet, die Herstellungsweise basiert aber weiterhin auf der Entdeckung von Edison: Durch extreme Hitze werden alle Elemente bis auf den Kohlenstoff vom Ausgangsmaterial abgestoßen. Es entstehen Fasern, die zugfester und leichter sind als Stahl. Carbon wird überall dort eingesetzt, wo ein leichtes, aber widerstandsfähiges Material benötigt wird. Beispielsweise für Autos, Prothesen oder Flugzeuge – der Airbus A350 besteht zur Hälfte aus Carbonfasern. Während Edisons Glühlampe sukzessive durch LED verdrängt wird, ist der Siegeszug seiner Nebenbei-Entdeckung Carbon ungebrochen.

Polyvinylchlorid

Ein neuer Stoff …

Henri Victor Regnault war 1838 nicht bewusst, was er da geschaffen hatte, als er seinen neu entdeckten Stoff Vinylchlorid dem Sonnenlicht aussetzte und sich daraus ein weißes Pulver bildete – Polyvinylchlorid oder kurz PVC. Eine Produktidee gab es zunächst nicht. Erst die Rohstoffknappheit nach dem Ersten Weltkrieg machte den neuen Werkstoff erfolgreich. Zu diesem Zeitpunkt ließ sich PVC auch industriell herstellen. Zunächst wurden Folien, Rohre und andere Baustoffe aus dem neuen Material gefertigt, ab 1945 war er der meistproduzierte Kunststoff der Welt.

… Stoff für Neues

Die vielleicht revolutionärsten Auswirkungen hatte der neue Werkstoff aber in einem anderen Bereich – in der Musik. Bis in die 1940er Jahre waren Schallplatten aus Schellack weit verbreitet. Diese eigneten sich jedoch nicht für den Versand: zu schwer und leicht zerbrechlich. Auf der Suche nach Alternativen fand man … PVC! Die Platten aus dem neuen Kunststoff waren leichter und nahezu bruchsicher. Außerdem ermöglichten sie schmalere Rillen zur Wiedergabe der Musik. Das verbesserte nicht nur die Tonqualität, sondern verlängerte auch die Spielzeit enorm: von neun auf 45 Minuten. Ergebnis: Die erste Langspielschallplatte – und bis weit ins Zeitalter der CD hinein die unausgesprochene Regel, dass ein Album etwa 45 Minuten Spielzeit hat.

 

Lesen Sie mehr zu unserem Werkstoffportfolio: www.on.fst.com


Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.

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