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Nicht nur sicher, sondern rein
Reine Oberflächen sind essenziell, wenn es um die Produktion von Medikamenten geht. Denn Verunreinigungen entstehen schon im mikroskopischen Bereich und sind nicht immer sofort zu erkennen. Wie die Branche mit Regularien und den richtigen Werkstoffen für Sicherheit sorgt.
Als Anfang der 1960er Jahre weltweit Babys mit Fehlbildungen geboren wurden, suchten Ärzte und Pharmazeuten fieberhaft nach dem Grund. Doch es dauerte mehrere Jahre, bis die Experten auf die Verbindung zwischen den Fehlbildungen und dem Beruhigungsmedikament Contergan kamen: Der neue Wirkstoff war vor Markteinführung nicht ausreichend auf Nebenwirkungen hin getestet worden. In der Folge forderten Mediziner klarere und schärfere Vorschriften, und 1968 schließlich verpflichtete die Weltgesundheitsorganisation WHO die Hersteller auf Richtlinien zur „Good Manufacturing Practice“, oder kurz: GMP.
Edelstahl 1.4301
Dieser Werkstoff war der erste nichtrostende Stahl, der bis heute kommerziell erhältlich ist. Er ist von 600 Grad Celsius bis beinahe zum absoluten Nullpunkt einsetzbar. Der Stahl ist gegen Speisesäuren, schwache organische und anorganische Säuren, Wasser und hohe Luftfeuchtigkeit beständig. Er wird eingesetzt, wo Oberflächen hygienisch rein sein müssen, wie in der Pharmazie oder in der Gastronomie.
© iStock: josemoraes
Dabei geht es nicht nur um Nebenwirkungen. Es geht auch darum, in jedem Produktionsschritt zu gewährleisten, dass das Produkt rein bleibt. Kontamination soll verhindert werden. Diese GMP-Richtlinien sind bis heute Standard; sie werden von der WHO regelmäßig geprüft, überarbeitet und dienen weltweit als Grundlage für Arzneimittelgesetze der jeweiligen Länder. Das Regelwerk der Weltgesundheitsorganisation deckt den gesamten Lebenszyklus des Medikaments ab: vom Qualitätsmanagement in der Produktion über Transport und Lagerung bis hin zur Einnahme beim Patienten. Denn jeder einzelne Schritt birgt das Risiko, das Arzneimittel zu verunreinigen.
Kontamination kann zu jedem Zeitpunkt stattfinden
Das alles war damals neu. Eine stetige Überwachung von Arzneimitteln über die eigentliche Produktion hinaus hatte es vorher so nicht gegeben. Immer deutlicher wurde aber in der Folge klar: Kontamination, also kleinste Partikel, die an irgendeinem Punkt der Kette in das Produkt gelangen, kann zu jedem Zeitpunkt stattfinden.
Eine der offensichtlichsten Lösungen, die sich an dieser Stelle anbieten, besteht darin, Oberflächen und Maschinen intensiv zu reinigen. Das aber wiederum bedeutet: Das Material ist entscheidend. Wenn Oberflächen mit teilweise aggressiven Chemikalien behandelt werden, müssen sie das aushalten. Noch besser ist es, wenn ihre Oberfläche bereits so beschaffen ist, dass sie sich leichter reinigen lässt. Seit Jahrzehnten gilt also für die Pharmaindustrie: Nicht nur die Inhaltsstoffe sind entscheidend – sondern auch die richtigen Werkstoffe. Und zwar die Werkstoffe all jener Maschinen und Oberflächen, die im Prozess eine Rolle spielen.
Edelstahl, Glas und Kunststoff
Schnell setzten sich hier Materialien wie Edelstahl und Glas durch. Also Werkstoffe, die widerstandsfähig und robust zugleich sind. Konkret: Edelstahl mit der Werkstoffnummer 1.4301. Diese Stahlsorte kommt in der Pharmazie sogar schon seit den 1920er Jahren zum Einsatz, denn sie hat weitere Vorteile: Sie rostet nicht und kann einem sehr breiten Temperaturspektrum standhalten – von minus 273 Grad Celsius bis 600 Grad Celsius. Mit diesen Eigenschaften ist Edelstahl ein idealer Werkstoff für Oberflächen in pharmazeutischen Anlagen und Maschinenkomponenten.
Aber nicht alles ließ und lässt sich aus Edelstahl herstellen. Schon vor dem aktuellen Zeitalter des Kunststoffs verfügten medizinische Geräte über einzelne Komponenten aus Kunststoff, insbesondere Knöpfe und Schalter. Heute haben sich Kunststoffe auf breiter Front auch als Werkstoffe durchgesetzt. Umso wichtiger, auch hier auf Details wie Chemikalienbeständigkeit zu achten. Einige Konstrukteure in der Pharmaindustrie setzen zunehmend auf antibakterielle Werkstoffe, die einen Anteil an Silberionen enthalten. Dieses spezielle Additiv zerstört die Zellwände der Mikroorganismen und tötet sie dadurch ab. Das erspart zwar nicht, die Oberflächen regelmäßig zu reinigen, aber es minimiert die Kontaminationsgefahr zwischen den Reinigungsintervallen.
Entscheidend an den GMP-Richtlinien ist, dass sie insbesondere die Hersteller in die Pflicht nehmen: Diese müssen, bevor sie ein Medikament einführen, einen mehrstufigen Zulassungsprozess definieren und das Produkt auch nach Verkaufsstart weiterhin genau überwachen. Fast alle Unternehmen haben heutzutage deswegen eine eigene Qualitätssicherheitsabteilung. Die dort beschäftigten Mitarbeiter überprüfen ständig die Reinheit von Medikament, Fertigungsanlage und Verpackung. Die Formel lautet also: Stringente Richtlinien, ergänzt um die richtigen Werkstoffe, ergeben einen sicheren Qualitätsstandard. Denn am Ende ist für die heilende Kraft eines Medikaments nicht nur entscheidend, ob es hilft oder welche Nebenwirkungen es hat – sondern auch, in welchem Umfeld es hergestellt wurde.
Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.
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