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Verbindung vielfältiger Elemente
Die Entwicklung innovativer Werkstoffe für extreme Einsatzbedingungen ist ein Gemeinschaftswerk. Das Projektteam Dr. Tina Andrä und Kira Truxius verhelfen einer neuen Materialklasse zum Durchbruch und plädieren für diverse Teams in einer Inklusionskultur.
Unzählige Kombinationen kennt die organische Chemie, in der sich Kohlenstoffatome mit anderen Elementen verbinden. Jedes neue Molekül glänzt mit einzigartigen Eigenschaften, die nur durch die spezifische Konstellation entstehen. Mit Teams verhält es sich nicht anders: Wo Menschen sich entfalten dürfen und ihre Meinungen und Stärken einbringen können, entsteht mehr Innovation in kürzerer Zeit. Dass die Entwicklung innovativer Werkstoffe genau darauf angewiesen ist, zeigt die Zusammenarbeit zwischen der Chemikerin Tina Andrä und der Kunststoffingenieurin Kira Truxius. Gemeinsam haben sie mit einem Projektteam die Entwicklung einer neuen Klasse an Kunststoffen vorangetrieben, wie es sie zuvor noch nicht gab: Auch bei Temperaturen von mehr als 1.000 Grad schmilzt das Material „Quantix® ULTRA“ nicht. Wenn die beiden Expertinnen gemeinsam im Technikum stehen, in der neue Materialien gemischt und zu Granulat verarbeitet werden, merkt man ihnen nicht an, dass sie eigentlich für zwei verschiedene Unternehmen der Freudenberg-Gruppe arbeiten. Andrä koordiniert die Forschung an zukünftigen Werkstoffen für Freudenberg Technology Innovation, während Truxius nach neuen Thermoplast-Anwendungen für Freudenberg Sealing Technologies sucht.
Die Lebenswege der beiden Frauen weisen trotz aller Unterschiede Parallelen auf. Die Liebe zur Chemie beginnt bei Andrä in der Kindheit, als sie die Bibliothek ihres Großvaters, eines Chemielehrers, durchstöbert. Die Struktur komplexer Moleküle fasziniert sie zunächst nur, mit dem Fachunterricht in der Schule wächst dann das Verständnis. Nach dem Abitur studiert sie denn auch Chemie an der Technischen Universität Chemnitz. Auch bei Truxius ist es zunächst der Großvater, ein Ingenieur für Eisen- und Hüttenkunde, der das Interesse an der Technik weckt, der mit seiner Enkeltochter antike Geräte vom Flohmarkt repariert und sie für den Umgang mit verschiedenen Werkzeugen begeistert. Im Grundschulalter kaufte sie sich einen eigenen Flipperautomaten – damals für 150 D-Mark. Als dieser nicht mehr funktionierte, war die Neugier geweckt, ihn zu reparieren. Flipper optisch und technisch zu restaurieren ist ein Hobby, das die Ingenieurin bis heute pflegt. Dass Truxius sich schließlich für ein Studium der Kunststofftechnik an der Hochschule Darmstadt entscheidet, liegt an einem zuvor gemachten Umweg: Sie beginnt zunächst eine Ausbildung als Zahntechnikerin. Sie schätzt die Arbeit mit unterschiedlichsten formbaren Materialien – vor allem Thermoplasten, will aber mehr lernen.
Dadurch, dass wir die Erfahrung und das Wissen von allen zusammenbringen konnten, haben wir schnell Fortschritte gemacht.
Kira Truxius, Materialexpertin Thermoplaste
Theorie und Praxis verknüpfen
Beide Expertinnen entscheiden sich früh dafür, Studium und Praxis zu verknüpfen. Andrä erarbeitet ihre Diplomarbeit in einem anwendungsorientierten Forschungsprojekt der BASF. Truxius hingegen steigt bei Celanese (ehemaliger Hoechst-Konzern) als Werkstudentin ein und verfasst dort auch ihre Bachelor- und Masterarbeit. Schon damals findet sie die Werkstoffentwicklung als Schnittmenge zwischen Chemie und Maschinenbau besonders spannend. Während Truxius nach dem Studium direkt bei Freudenberg einsteigt, promoviert Andrä zunächst und wechselt kurz darauf als Laborleiterin zu BASF Polyurethanes Lemförde. Aus privaten Gründen sucht sie aber schon bald eine Stelle in Süddeutschland und beginnt 2016, ein Jahr nach Truxius, bei Freudenberg.
Im Jahr 2019 legte die Freudenberg-Gruppe dann ein strategisches Programm neu auf, in dem sechs Tochterunternehmen gemeinsam nach neuen Werkstoffen für extreme Einsatzbedingungen suchen sollen. Andrä übernimmt die Gesamtkoordination, das entspricht ihrem nüchtern-analytischen Wesen. Eines der Suchfelder des Programms umfasst hochtemperaturfeste Kunststoffe für die Elektromobilität. Truxius leitet und koordiniert das Programm aufseiten von Freudenberg Sealing Technologies. „Wir waren alle gleichberechtigt, egal ob im Technikum, der Materialprüfung oder im Labor, auch die erfahrenen Mitarbeitenden, die tagein, tagaus an der Maschine stehen“, erinnert sich Truxius. „Dadurch, dass wir die Erfahrung und das Wissen von allen zusammenbringen konnten, haben wir schnell Fortschritte gemacht.“
Eine neue Klasse
Mit „Quantix® ULTRA“ stellt Freudenberg Sealing Technologies eine neue Klasse an Kunststoffmaterialien vor, die auch bei sehr hohen Temperaturen weder schmelzen noch entflammen. Normalerweise zeigen teilkristalline Thermoplaste während des Erhitzens zunächst eine geringe Abnahme der Steifigkeit. Wird eine bestimmte Temperatur überschritten – von Experten „Glasübergangstemperatur“ genannt –, erweicht der Kunststoff allmählich; er weist dann eine deutlich geringere Steifigkeit auf. Steigt die Temperatur weiter, erreicht das Material irgendwann den Schmelzpunkt. Auch Quantix® ULTRA weist eine allerdings deutlich höhere Glasübergangstemperatur auf, ab der die Steifigkeit abnimmt. Anstatt mit zunehmender Temperatur immer plastischer zu werden und schließlich zu schmelzen, verhält sich das Material nun allerdings so elastisch wie ein Elastomer. In einem Labortest überstand eine Materialprobe mit einer Dicke von weniger als einem Millimeter sogar eine für zehn Minuten aufgebrachte Flamme mit einer Temperatur von 1.200 Grad Celsius.
Wertschätzung macht den Unterschied
Und dennoch, es ist nicht nur das messbare Wissen, das zum Erfolg beiträgt. Die beiden Expertinnen sind sich von Anfang an sympathisch und schätzen ihre Arbeit gegenseitig. So sagt Truxius über Andrä: „Sie hat einerseits einen sehr wertschätzenden Umgang mit allen Teammitgliedern, verliert andererseits aber nie den Überblick und weiß, was zu tun ist.“ Im Gegenzug schätzt Andrä an ihrer Kollegin das Fachwissen, aber auch die Begeisterungsfähigkeit und die Hartnäckigkeit: „Kira sorgt dafür, dass nichts verloren geht.“ Auf die neue Werkstoffgruppe „Quantix® ULTRA“ schauen Andrä und Truxius voller Stolz. Ohne das große Projektteam und die gegenseitige Unterstützung wäre es nie entstanden, versichern beide.
Dass sie als Frauen in technisch-naturwissenschaftlichen Positionen im Jahr 2022 noch immer in der Minderheit sind, beschäftigt sowohl Andrä als auch Truxius. „Es geht aber nicht nur um Diversität der Geschlechter“, sagt Truxius, die schon während ihres Studiums fast ausschließlich auf männliche Kommilitonen und Professoren traf. „Wir müssen insgesamt noch bunter werden.“ Das Engagement Einzelner kann dabei einen Unterschied machen. So setzt sich Truxius für „Diversity & Inclusion“ bei Freudenberg ein und eröffnet Einblicke in die Lebenswelt von Menschen der LGBTQIA+-Community, Regenbogenfamilien und MINT-Frauen. Die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt, an der Truxius mitgewirkt hat, verpflichtet Freudenberg unter anderem dazu, die Vielfalt innerhalb und außerhalb der Organisation anzuerkennen, die darin liegenden Potenziale wertzuschätzen und für das Unternehmen gewinnbringend einzusetzen. Vielfalt ist eben Trumpf, nicht nur in der organischen Chemie. Darüber hinaus engagiert sich Truxius beim moveMINT-Programm der Hochschule Mannheim für Freudenberg, um MINT-Studentinnen den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern. Zukünftig möchte sie schon bei Kindern die Begeisterung für MINT-Berufe wecken.
Erfahren Sie mehr über die Materialkompetenz von Freudenberg Sealing Technologies: https://www.fst.com/de/corporate/kompetenzen/werkstoffentwicklung/
Dieser Beitrag stammt aus unserem Unternehmensmagazin „ESSENTIAL“, in dem wir kontinuierlich über Trends und Schwerpunktthemen aus unseren Zielindustrien und -märkten berichten. Weitere Beiträge des Magazins finden Sie hier.
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